Dem Robert-Koch-Institut zufolge gelten knapp 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland als krankhaft übergewichtig – wissenschaftlich als Adipositas bekannt. Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, kämpfen nicht nur mit den gesundheitlichen Auswirkungen und damit verbundenen Folgeerkrankungen, sondern sehen sich auch den gesellschaftlichen Vorurteilen ausgesetzt. Im Folgenden gehen wir darauf ein, was Adipositas genau ist, ab welchem Punkt man als adipös gilt, wie sich dies vom einfachen Übergewicht unterscheidet und welche verschiedenen Grade der Adipositas existieren.
Gilt Adipositas als Krankheit?
Adipositas stellt einen Risikofaktor für chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie bestimmte Krebsarten dar und erhöht das Risiko für eine frühzeitige Mortalität. Im Jahr 2000 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Adipositas als eine Krankheit definiert. Schon 2003 bestätigte das Bundessozialgericht das Vorliegen einer Krankheit, und im Jahr 2006 forderte das Europäische Parlament in einer Resolution die Mitgliedsstaaten auf, Adipositas offiziell als chronische Erkrankung anzuerkennen. Im Juli 2020 wurde Adipositas vom Deutschen Bundestag als eigenständige Krankheit anerkannt, ein bedeutender Schritt für die Betroffenen, der die Aussicht auf eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung in Deutschland bietet. Derzeit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen oft bereits die Kosten für die Behandlung von Adipositas.
Ab wann gilt man als adipös?
In Deutschland ist zurzeit ungefähr die Hälfte der Bevölkerung übergewichtig, wobei Übergewicht durch einen Body-Mass-Index (BMI) von 25-29,9 kg/m2 definiert ist. Ab einem BMI von 30 kg/m2 spricht man in der Regel von Adipositas. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen liegt darin, dass Übergewicht oft als Vorstufe von Adipositas betrachtet wird und in der Regel auf eine übermäßige Kalorienzufuhr und mangelnde körperliche Aktivität zurückzuführen ist.
Adipositas ist hingegen ein komplexes Krankheitsbild, bei dem verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören Störungen im Stoffwechsel und der Hormonregulation, eine erhöhte Verwertung von Nahrungsmitteln, genetische Veranlagungen und psychosoziale Einflüsse. Studien zeigen, dass Adipositas eine vielschichtige Erkrankung ist, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist.
Ursachen und Risiken
Übergewicht, oder medizinisch Adipositas genannt, entsteht in der Regel durch ein Ungleichgewicht zwischen der aufgenommenen Energie und dem Energieverbrauch im Körper. Wenn mehr Kalorien zugeführt werden, als verbraucht werden, speichert der Körper die überschüssigen Kalorien als Fett.
Adipositas wird jedoch nicht immer nur durch übermäßiges Essen und Bewegungsmangel verursacht, wie oft angenommen wird. Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Gewichtszunahme beitragen können:
- Genetische Veranlagung: Einige Menschen haben genetische Varianten, die ihr Sättigungsgefühl beeinflussen oder die Art und Weise, wie ihr Körper Nahrung verarbeitet.
- Sozialisation: Stressessen kann seit der Kindheit erlernt worden sein, und für manche Menschen ist Essen der einzige Weg, mit Anspannung umzugehen.
- Essstörungen: Binge-Eating-Störung ist eine häufige Essstörung bei Erwachsenen, bei der Heißhungerattacken auftreten, und die Betroffenen haben Schwierigkeiten, ihr Essverhalten zu kontrollieren.
- Rauchentwöhnung: Das Aufhören mit dem Rauchen kann oft mit Gewichtszunahme einhergehen, die von Person zu Person unterschiedlich ausfallen kann.
- Hormonelle und körperliche Erkrankungen: Verschiedene gesundheitliche Probleme wie eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion, polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) bei Frauen oder Testosteronmangel bei Männern können zu Übergewicht führen. Ebenso können Gelenkprobleme, chronische Rückenschmerzen oder Lähmungen zu einer geringeren körperlichen Aktivität führen und damit Gewichtszunahme begünstigen.
- Medikamente: Bestimmte Medikamente, die zur Behandlung von Krankheiten wie Typ-2-Diabetes (Insulin, Metformin), chronischen Entzündungen (Kortison) oder psychischen Erkrankungen eingesetzt werden, können das Körpergewicht erhöhen.
Folgeerkrankungen
Adipositas erhöht das Risiko für eine Vielzahl von Folgeerkrankungen, darunter:
- Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall
- Typ-2-Diabetes
- Krebserkrankungen
- Fettleber
- Lungenerkrankungen, Schlafapnoe
- Gelenkverschleiß (Arthrose)
- Unfruchtbarkeit, polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) bei Frauen
- Harninkontinenz
- Gallensteine
Eine nachhaltige Gewichtsabnahme kann dazu beitragen, viele dieser Folgeerkrankungen zu verbessern oder sogar zu beseitigen.
Stigmatisierung und Diskriminierung
Adipositas ist nicht nur eine medizinische Angelegenheit, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit. Übergewichtige Menschen werden oft negativ bewertet und mit Vorurteilen wie mangelnder Willenskraft oder Disziplinlosigkeit konfrontiert. Solche Vorurteile können zu geringerem Selbstwertgefühl, Depressionen und Angstzuständen bei Betroffenen führen. Die negative Selbstwahrnehmung kann dazu führen, dass Betroffene sich selbst abwerten und bei der Gewichtsreduktion weniger Unterstützung suchen. Verhaltenstherapie kann hierbei hilfreich sein.
Körperkontur
Eine erhebliche Gewichtsabnahme, sei es nach einer Adipositasoperation oder einer konservativen Therapie, kann oft zu überschüssiger Haut führen, was erhebliche Beeinträchtigungen im täglichen Leben mit sich bringen kann. Die großen Hautlappen an verschiedenen Körperstellen können die Beweglichkeit einschränken, Schmerzen verursachen und zu Entzündungen führen. Dies kann die Wiedereingliederung ins Berufsleben erschweren und zu psychischen Belastungen führen. Daher ist die chirurgische Wiederherstellung der Körperkontur von großer Bedeutung und kann von Spezialisten für Plastische und Ästhetische Chirurgie durchgeführt werden.
Die verschiedenen Grade von Adipositas
Es existieren drei Adipositas Grade: Grad I, Grad II und Grad III. Mithilfe des BMI können Sie einfach bestimmen, welcher Grad vorliegt.
BMI (kg/m2) | Adipositas Grad |
25 – 29,9 | Präadipositas |
30 – 34,9 | Grad I |
35 – 39,9 | Grad II |
≥ 40 | Grad III |
Präadipositas
Präadipositas bezeichnet das Vorhandensein von Übergewicht und stellt eine Vorstufe zur Adipositas dar. Es ist wichtig zu beachten, dass Präadipositas bereits das Risiko für verschiedene Gesundheitsprobleme erhöhen kann. Jedoch ist nicht nur der BMI allein ausschlaggebend für das Krankheitsrisiko, sondern auch die Verteilung des Körperfetts spielt eine entscheidende Rolle.
Grad 1
Auch bekannt als Adipositas Typ 1: In dieser Stufe ist bereits das Risiko für gesundheitliche Folgeerkrankungen erhöht. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass die Bewertung des Risikos nicht allein aufgrund des BMI erfolgt, sondern auch die Verteilung des Körperfetts berücksichtigt werden muss.
Es gibt auch Situationen, in denen Personen mit einem hohen Muskelanteil, wie etwa extreme Kraftsportler, einen BMI im Bereich von Adipositas Grad 1 aufweisen können. Dennoch haben sie in der Regel einen geringen Körperfettanteil und sind nicht zwangsläufig einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Probleme aufgrund von Übergewicht ausgesetzt.
Grad 2
Auch bekannt als Adipositas Typ 2: In dieser Kategorie erleben Betroffene oft bereits erhebliche Einschränkungen im Alltag. Selbst leichte körperliche Aktivitäten wie Treppensteigen können zur Herausforderung werden und Atembeschwerden verursachen. Menschen mit Adipositas Grad 2 sind oft in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt und leiden unter Gelenkschmerzen, da die Gelenke aufgrund des hohen Körpergewichts stark belastet werden.
Grad 3
Auch bekannt als Adipositas permagna: Die Einschränkungen im Alltag sind in dieser schwersten Stufe noch ausgeprägter. Adipositas Grad 3 kann auch psychische Probleme verursachen, da Betroffene sich häufig ausgeschlossen fühlen und an vielen sozialen Aktivitäten nicht mehr teilnehmen können. Die Ausübung eines Berufs kann unter Umständen unmöglich werden, was zu Depressionen führen kann.